Von Gurken und Karotten

Der großartige Blog UR ORG (www.urorg.zineo.co) über aussergewöhnliche Lebensweisen hat mich zu meinem „orgen“ Leben interviewt und einen sehr lustigen Artikel verfasst… aber lest selbst:

Danke Dario für das tolle Gespräch!

Ab 42°C wird’s brenzlig – die kalte Küche der Rohköstler

Wenn der Mensch ist, was er isst, bin ich wohl eine Karotte!“ (Michaela Russmann)

In Riechnähe der Ottakringer Brauerei bin ich an einem kalten Novembernachmittag mit der Wiener Rohkostlerin Michaela Russmann zum Interview verabredet. karotte, rohgenuss, ur oargSeit 18 Jahren ist in ihrer Familie Rohkost ein Thema. Besonders ihr Vater, Besitzer einer der ersten Wiener Bioläden, habe die Rohkosternährung in der Familie eingeführt. Nach einer eineinhalbjährigen Phase, in der sie sich zu 100% von Rohkost, also Nahrung, die in den meisten Fällen nicht über 42 Grad erhitzt wird, ernährt hat, sind es jetzt „im Winter 60-70%, im Sommer auch mal 95%“. Kein heißer Tee, keine frische Pizza aus dem Steinofen und KEINE SCHOKOLADE? Ich stelle mir ein solches Leben sehr trostlos vor und kann es nicht abwarten, diese Michaela persönlich kennenzulernen.

Die volle Vitalität und Vitaminpower
Beim Betreten ihrer Wohnung fallen mir als erstes die drei rustikalen, schwarzen Geländeräder auf, die am anderen Ende des Flures auf ihren nächsten Ausflug warten. Zwei davon hängen an der Wand, eines steht am Boden. Allein durch ihre Anwesenheit scheinen sie mir vorzuwerfen, dass ich selbst nicht auch mehr Sport treibe. Michaela folgt meinem Blick. „Meine Familie fährt öfter als ich. Das sauberste Fahrrad ist meins“, sagt sie und lacht. „Ich fahre fast nie“, denke ich und wende meinen Blick schnell wieder ab, bevor die Fahrräder ein noch schlechteres Gewissen in mir hervorrufen können. Dabei fällt mein Blick auf die Sportschuhe neben der Eingangstür, die mir von den langen, anstrengenden Laufwegen erzählen, die sie zurückgelegt haben. Ein weiteres Indiz dafür, dass ich es hier mit einer sportlich sehr aktiven Familie zu tun habe.

Ich fühle mich verfolgt und folge dem Flur vorbei an den Fahrrädern in die Küche. Eine große gemütlich aussehende Sofaecke auf der linken Seite und der frische Duft der Küche empfangen mich und lassen mich schnell wieder entspannen. Während mein Blick noch versucht, möglichst viele Details der warmen Raumeinrichtung einzufangen, sitzt Michaela schon auf der anderen Seite des Raumes an dem langen hellbraunen Holzbrett, das waagerecht von der Küchenzeile absteht und somit als Tisch dient. Alles ist sehr sauber und aufgeräumt. Auf dem Tisch steht nicht mehr als eine rote Pflanze und eine Karaffe mit frischer selbstgemachter Limonade, von der mir Michaela gerade ein Glas einschenkt. Dennoch wirkt der Raum nicht leer oder langweilig. Im Gegenteil. Ganz nach dem Motto „Weniger ist mehr“, bietet der Raum alles, was notwendig ist. Notwendig ist für jemanden wie Michaela, deren Job die Rohkosternährung ist, viel Platz zum Schneiden, Zubereiten und Anrichten ihrer gesunden Gerichte. „Gesund“… dieses Wort fällt an diesem Nachmittag oft im Zusammenhang mit der Rohkostküche. Aber warum ist Rohkost eigentlich so gesund? Ich frage Michaela und ihre Antwort kommt ohne langes Nachdenken:

Durch die Rohkost nehmen wir ausschließlich Gesundes, Lebendiges zu uns. Es ist ja nichts zerstört worden durch Hitze. Und dementsprechend haben wir die volle Vitalität und die volle Vitaminpower.“

Bildschirmfoto 2015-01-20 um 09.48.04Ich denke zurück an die Sportschuhe und Fahrräder im Flur. In meinem Kopf hallen „die volle Vitalität und Vitaminpower“ nach, von denen Michaela gerade gesprochen hat. Das sind zwar schöne Worte, man hört sie gern und sie machen glücklich, aber mir ist das alles noch ein wenig zu unkonkret. Ich möchte es genauer wissen und frage noch einmal nach, wie die Rohkosternährung mich und meinen Körper verändert.

Michaela überlegt kurz. „Es macht dich irre klar im Kopf, es entschlackt natürlich, du schläfst relativ gut, dein Verdauungssystem wird ganz ganz rund, also es passt von dem her. Dein Körper spielt sich relativ schnell ein. Also wenn ich roh esse, geht’s mir super super guad. Es is’ aber ‘ne Umstellung, er stellt sich nicht sofort drauf ein. Und das ist das, was viele dann abhält.“

“Mir fehlt das Heiße”
Obwohl Rohkost scheinbar nur positive Punkte mit sich bringt, sei sie gegen 100 Prozent Rohkosternährung, erklärt Michaela. Sie schaut mich erwartungsvoll an als ahnte sie schon meine nächste Frage, die gerade dabei ist, sich in meinem Kopf zu Worten zusammenzusetzen. „Warum? Ist es dann doch nicht so gesund oder lecker?“, frage ich mich und gebe die Frage an Michaela weiter.

Ich bin kein Verfechter der Gourmetrohkost. Also, ich halte nichts davon, wenn wir jetzt drei Tage lang den Pizzaboden trocknen müssen oder Rohkostbrot in rauen Mengen, weil’s ‘ne absolute Ressourcenverschwendung ist. Das braucht irre viel Energie und das passt mit meinem Ansatz der Ursprungsrohkost nicht zusammen.“ „Fehlt dir bei 100% Rohkosternährung etwas?“, unterbreche ich sie. „Mir persönlich fehlt was.“, gibt sie reuelos zu. „Ich mag das Warme. Ich mag nicht nur das Warme, das würd’ ich auch in der Rohkost hinbekommen, aber mir fehlt das Heiße. Und zwar wirklich das Heiße. Ich mag ‘ne warme Gemüsesuppe schlürfen, ich mag ein Ofengemüse haben. Und warum nicht auch ein paar Kartoffeln und Getreide dazugeben? Das passt schon alles dazu“, sagt Michaela überzeugt lächelnd. Ich seufze erleichtert auf. Meine Pizza und meine Schokolade scheinen gerettet zu sein. Dennoch: mindestens zwei von drei Mahlzeiten nimmt Michaela roh zu sich.

Seit sieben Jahren gibt sie Workshops über ihre Ernährung. Daneben betreibt sie einen Bioladen und schreibt Bücher. Ihre Rezepte seien zum Großteil rohgenuss_die_vier_jahreszeitenimprovisiert. Inspiration hole sie sich auf Reisen um die ganze Welt, von Kopenhagen bis New York, erzählt mir die Autorin von mittlerweile acht (Koch-)Büchern stolz. „Ich habe aber noch Stoff für zehn weitere Bücher“, sagt sie mit einem Lächeln. Es klingt ganz so als hätten wir noch nicht das letzte von einer Frau gehört, die ihr Leben der Rohkost gewidmet hat. Als sie mir zum Abschied ihr Lieblingsrezept mit auf den Heimweg gibt, wird mir klar, dass Rohkost wohl doch mehr bietet als die klischeehaften Gurkenscheiben und Karottensticks: „Rohvioli von der roten Rübe. Du nimmst die roten Rüben, schälst sie und schneidest sie in ganz ganz feine Scheiben. Dann machst du dir eine Füllung aus Pilzen – Pilze kann man roh essen – du nimmst dir Champignons, schneidest sie ganz ganz klein, ein bisschen Zwiebel ganz ganz klein, ein bisschen Apfel ganz ganz klein, ein bisschen Salz dazu, ein bisschen Öl, ein bisschen Essig und Majoran, lässt das etwas ziehen und dann schichtest du dir das. Eine rote Rübe mit ein bisschen Fülle und oben drauf noch ‘ne rote Rübe. Oben drauf ein bisschen Orangensaft und vielleicht ein bisschen frische Petersilie. Super super gut. Du musst beißen, du speichelst schön ein, deinem Körper wird gesagt, du kriegst jetzt gscheit Essen und du wirst ganz ganz toll satt davon.“

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